Handwerkeralarm in der Sharks Bay

Donnerstag 9. August 2012

Beschaulich und ruhig liegt sie da, unsere Tauchschule. Noch! In einigen Stunden werden Frank und Peter aus Deutschland einchecken, um diverse kleinere Bauprojekte in Angriff zu nehmen. Und auch einige Größere.

Wir wollen unser altes Terrassendach direkt am Beach vor den Gästezimmern gegen einen neuen „tauschen“, der eine ähnliche Konstruktion hat, wie der Eingangsbereich am Counter. Den hatten Peter und Frank vergangenes Jahr schon gebaut, was lag also näher, als eben diese beiden zu bitten, auch den Sonnenschutz zu bauen. Unmittelbar nach der Ankunft der beiden, setzten sich Peter mit uns zusammen und man sah gemeinsam die Pläne durch. Rechnete hier und da. Peter hat nämlich zuhause bereits ein Modell ausgetüftelt. Im Maßstab 1 zu 10 liegt das Ding noch heute auf seinem Küchentisch. Mit eingeflogen hatten die Handwerker kiloweise Schrauben. Kleine Spax-Schrauben, wie wir sie von Ikea kennen, wie auch die Schrauben des Grauens mit denen die knapp 6 Meter hohe Konstruktion verschraubt werden sollte. Und da man nicht bauen kann, ohne das Späne fallen, hatten sie auch gleich eine Kappsäge dabei, die die Ungetüme auf die richtige Höhe zurecht stutzen sollte. Die heilige Säge wurde bestaunt und bewundert und durfte sich nachts im Doppelzimmer der beiden von der Hitze des Tages „erholen“. Nachdem das Holz für den neuen Unterstand erst am Nachmittag geliefert werden sollte, saß man und plante und plante und saß. Es wurde eine neue Zeitrechnung eingeführt, die da hieß „Noch 3 Stunden bis Holz“. Und es vergingen erst 3, dann 4 und dann noch mehr Stunden. Welcome to egypt !

Die Sonne geht unter und wieder auf, vom Holz keine Spur. Klaus telefonierte mehrfach und es hieß – wie es eben in den arabischen Ländern, noch dazu im Ramdan, ist – in einer Stunde kommt der LKW. Inzwischen Freitag wird es Mittag und was fehlt zur absoluten Glückseligkeit der anwesenden Handwerker ist: Holz.
Freitag.

Frank und Peter heben derweil die Löcher für die Pfosten aus, rechnen vor und zurück, denn der Boden ist abschüssig und entsprechend müssen die Bohlen unterschiedlich hoch sein.

Klaus treibt seine Telefonkosten so nach oben, dass er vermutlich einen weiteren Kubikmeter Holz dafür bekommen könnte. Inzwischen hat sich auch Kerstin zur Gruppe gesellt, ebenfalls aus Deutschland, die eigentlich nur eine Woche entspannen möchte. Mann kommt ins Gespräch, nachdem nicht viele Gäste im Haus sind, da die Tauchsafari erst für die kommende Woche auf dem Plan steht. An dieser wollen Peter und Frank übrigens NACH dem Bau des neuen Unterstandes teilnehmen. Es wird Freitag abend und inzwischen mutmßen alle Anwesenden inkl. mir, die ich nur noch Klaus beruhige, dass das Holz aus Nirgendwo im Irgendwo, nicht aber dem nur 80 km entfernten Dahab geliefert wird.

Kerstin hilft ein wenig mit, um überschüssige Energie abzubauen. Durch Ramadan sind die Angestellten nicht zu unbedingten Höchstleistungen fähig, sobald aber Kerstin nur den Hammer in die Hand nimmt, kommt irgendwer, nimmt ihr das Werkzeug aus der Hand und die Arbeit ab. So unpraktisch ist es also nicht. Irgendwann sind alle Löcher gegraben und alle Maße berechnet. Was fehlt ist immer noch das Holz. Ohne Holz kein Projekt.

Alles sitzen wir Freitag Abend im Restaurant, trinken Bier und plaudern, als die Scheinwerferlichter an der Wand uns die Ankunft eines Autos ankündigen. Wie im Film drehen sich fünf Köpfe nach rechts, um den evtentuell gleich einfahrenden LKW einweisen zu können. Jede Hand wird gebraucht, das ist allen klar. Es muss abgeladen werden und die Hölzer sind mit knapp 6 Meter auch keine kleinen. Es knattert und tuckert und um die Ecke kommt ein Pickup mit zehn schwindligen Brettern, die mit zwei Schnüren fixiert sind. Mr. Blauhemd, der Klaus seit 6 Wochen erklärt, das Holz werde pünktlich in einer Stunde geliefert, steigt aus dem Wagen. Unsere fünf Köpfe bewegen sich nicht, denn immer noch warten wir gespannt auf den LKW, der die fehlenden 12,9 Kubikmeter geladen haben  muss. Anders kann es nicht sein, anders darf es nicht sein. Das Holz hat ein Vermögen gekostet und ist bereits bezahlt. An den Mann im blauen Hemd, der nun auf Klaus, der inzwischen zum Pick up gelaufen ist, zugeht. Thats all, hört er ihn sagen, worauf Klaus Blutdruck erneut in die Höhe schnellt, wie ich von weitem erkennen kann. Kein LKW, kein Holz. Mit den zerfallen ungehobelten Latten, die nicht einmal die richtige Länge haben, lässt sich nicht einmal eine Latrine zimmern. Nicht einmal eine ägyptische. Neben der neuen Zeitrechnung entsteht eine weitere Maßeinheit: Der ägyptische Kubikmeter. der Frust am Tisch steigt und der Mann im blauen Hemd leidet erstaunlicherweise quasi sofort am Verlust all seiner Englishkenntnisse. Der hinzugezogene übersetzende Kellner bestätigt, was alle befürchten: Was auf dem Pickup ist, ist alles was kommt. Bei dem Preis müsste es sich allerdings um Swarowski Bohlen handeln, die alle 2 cm einen echten Stein eingelassen haben. Aber wer will schon Steinchen in der Latrinen-Wand? Frank und Peter fällt das Gesicht nach unten. Schnell kalkulieren die beiden, dass – kommt das Holz nicht jetzt – es knapp wird mit der Zeit. Sehr knapp. Eigentlich nicht zu schaffen. Klaus beschließt zur nächsten Schreinerei zu fahren und dort neues Holz zu bestellen. Möglichst mit einer Lieferzeit in 24 Std. deutscher Zeitrechnung. ich warte mit Kerstin und jede Stunde, die die drei nicht zurückkommen, wird zu einer guten Stunde, weil es bedeutet, dass irgendwo, irgendwie ein Holzgeschäft über 13 Kubikmeter gemacht wird. Blauhemd ist mitgefahren, denn Klaus möchte natürlich auch sein Geld zurück. Gegen 23 Uhr kommen die drei zurück, alles hat sich klären lassen, übermorgen nacht komme das Holz und es könne weitergehen.

Und wenn Handwerker, die fürs werkeln angereist sind, kein Projekt haben oder kein Material oder sich der akribisch durchgetakte Zeitplan ändert, wird kurzerhand eines geboren. Klaus schlägt von daher vor, in der Zeit des Wartens könne eben das Dach von den Bungalows angedeckt und die Konstruktion abgebaut werden, um sie zwei Meter zu verbreitern und wieder aufzubauen. In Theorie eine schnelle Sache. Das Dach wird Samstag abgedeckt, die Balkenkonstruktion demontiert und die neue Konstruktion erweitert. Das kostet Zeit und die Sonne fordert ihren Tribut. Die beiden Handwerker schuften bis nachts um halb 4, Kerstin – inzwischen QS Beauftragte und Werkzeugreicher- streckt um 1 Uhr die Flügel. Es wird gehämmert, gesägt, das Dach abgeklopft. Die Kühle der Nacht – 25 Grad – hält 3 Stunden, dann dreht der Wind und die Hitze aus dem Landesinneren erwischt die beiden, die auf der waghalsigen Konstruktion turnen, mit voller Wucht. Um halb 4 geht nichts mehr. Sonntag morgen, Kerstin und Peter treibt es früh aus dem Bett, geht es weiter. Nachdem es wahnsinnig aufwendig ist, jeden Balken einzeln schneiden zu m¸ssen und dazu jedesmal vom Dach klettern zu müssen, bietet sich Kerstin – in erneutem Anflug überschüssiger Energie – an, die Balken zu sägen. Es gibt eine Einweisung und nachdem die ersten Spreissel der ungehobelten Balken in den Händen stecken, werden kurzerhand alte Socken zu provisorischen Handschuhe umfunktioniert. Es wird gemessen, gereicht, gesägt und geschraubt, bis am Sonntag Abend alle Balken verbraucht sind. Drei Stück fehlen, was Klaus recht gelassen sieht, Peter allerdings wieder in den Zeitrechenmodus zurückwirft. Frank ist entspannter und Kerstin ist müde. Man könne die drei fehlenden Balken doch bei eben jener Schreinerei drei Orte weiter holen, bei denen man auch das neue Holz bestellt habe. Klaus greift zum Telefon, aber es ist wie es ist: Man könne nicht 13 Kubikmeter in Rekordzeit bearbeiten und gleichzeitig noch Zeit für drei Balken abzwacken. Das Projekt muss also ruhen, das Bungalowdach sieht auch mit drei fehlenden Balken sehr schön aus. Das Warten geht weiter. Noch 5 Stunden bis Holz.